Vaginal? Anal? Ganz egal?
Wie wurde die Vagina überhaupt zu der Empfindungszentrale des Körpers? Woher kommt vaginale Empfindung? Welcher Prozess in unserer Entwicklung zeigt eine Stimulation der Vagina? Und wieso wird anale Stimulation abgetan, wenn wir drei Jahre unseres Lebens auf dem Klo verbringen?
Die Ausgangslage
Doc Carla hat uns bei SiClaro schon so einige Gedankengänge präsentiert, bei denen sich unsere Synapsen in Sekundenschnelle neu verknüpft haben. Da entsteht dann ein regelrechter Aha-Moment im Kopf – begleitet durch Raketenfeuer vor dem inneren Auge. Letztens war’s wieder so weit: Wir sprachen eigentlich über Sperma und Analsex - Es ging dabei auch um das Thema „Ekel“ im Zusammenhang mit sexuellem Lustempfinden. Vorne oder hinten, ihr entscheidet selbst was euch gefällt. Wir bewerten hier gar nichts. Wir stellten nur fest, dass über Analsex viel weniger geredet wird und dass es durchaus Menschen gibt, die – zumindest nach außen hin so tun, als ob – Analsex eklig finden.
„Wieso ist das eigentlich so? Habt ihr mal darüber nachgedacht, dass die anale Stimulation durch das Kacken von Anfang an in unserem Leben eine Rolle spielt? Vaginale Empfindungen jedoch erlernen wir erst...“
Das war er, der Aha-Moment! Sexuelles Verhalten und Erleben sind sehr komplexe Phänomene, die durch psychische, biologische und soziale Faktoren beeinflusst werden. Deswegen stellen wir vaginale und anale Empfindungen einmal gegenüber.
Wichtig!
Vorne oder hinten, ihr entscheidet selbst was euch gefällt.
Natürliche und gelernte Empfindungen
Es stimmt: Die meisten Menschen empfinden kacken nicht als unangenehm. Es gibt Studien, die herausgefunden haben wollen, dass der Mensch sogar ganze 3 Jahre seines Lebens auf dem stillen Örtchen verbringt! Zum Vergleich: Mit Sex verbringen wir angeblich nur etwas mehr als 100 Tage. Das heißt, irgendwas daran scheint uns zumindest nicht zu missfallen. Wir erlernen anale Empfindung als etwas ganz Normales in unserem Lebensprozess.
Vaginale Stimulation hingegen erlernen wir erst. Die Vagina wird von nichts berührt, wenn wir nicht gezielt etwas einführen. Gepinkelt wird durch die Harnröhre und nicht etwa durch die Vagina. Ein kleiner Sidefact, falls hier bis jetzt für irgendwen noch Erklärungsbedarf bestand… Neben der frühkindlichen Phase der Körpererkundung führen meistens erst die Nutzung von Tampons oder Periodencups, das Einführen von Zäpfchen und dann irgendwann sexuelle Aktivität dazu, dass wir uns mit der eigenen Vagina näher auseinandersetzen.

Vaginale vs. anale Stimulierung
In Bezug auf lustvolle Sexualität geht um die Wahrnehmung von Sinnesempfindungen. Wo diese Empfindungen ausgelöst werden, ist unterschiedlich. Manche Menschen sind vaginal sehr empfindlich und mögen es beispielsweise gar nicht, dort stimuliert zu werden. Eine eventuelle Angst vor vaginalen Schmerzen kann die Lust auf den Vaginalverkehr stark einschränken. Auch bei der Selbstbefriedigung spielt die eigene Vagina nicht bei allen Besitzer*innen eine Rolle. Dadurch, dass viele Jahre der Penis-Vaginal-Verkehr als „normativer Sexualakt“ gesehen wurde, vor allem auch im Sexualkundeunterricht, wurde oftmals davon ausgegangen, dass auch die vaginale Stimulation das Non-Plus-Ultra sei. Für manche Menschen mag das stimmen. Aber nicht für alle. Stimuliert werden können wir an allen Körperstellen. Und eben auch anal. Diese Stelle ist uns sehr viel vertrauter für Empfindungen, als wir uns das vielleicht vorstellen können.
Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Carla Pohlink, die als Ärztin und Sexualtherapeutin arbeitet.
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Lisa Claus ist unsere SiClaro Hausautorin