Unsere Bindungsfähigkeit
Triggerwarnung: Der Text behandelt sensible Inhalte zu emotionalen Bindungen durch Erziehung. Solltest du dich damit nicht wohlfühlen, kannst du den Text gerne überspringen oder gegebenenfalls mit einer vertrauten Person gemeinsam lesen.
Selbstübung
Die Bindung zu anderen Menschen ist ein Aspekt unserer Bindungsfähigkeit. Wie aber ist die Bindung zu dir selbst? Umarm dich mal selbst! Nimm die Situation bewusst wahr. Nimm sie auch ernst und frage dich, ob du für den Moment eine Bindung mit dir selbst eingehen kannst. Lass dir Zeit und achte darauf, ob deine Antwort von irgendetwas abhängt: von einem Gedanken, einer Situation, in der du dich befindest.
Erweiterung: Wenn du zurzeit in einer festen oder lockeren Beziehung bist, frag dich: Wie, wann, wodurch, wie lange möchte ich mich (ver-)binden?
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Umarm dich mal selbst!
Bindung zu anderen
In der Entwicklungspsychologie wird die Bindungsfähigkeit von Menschen oft auf den Körperkontakt mit den Bezugspersonen im 1. Lebensjahr zurückgeführt. Wenn die Babys zu dieser Zeit wenig Körperkontakt erfahren, fällt schnell der Begriff „unterstimuliert“. Diese Erfahrung findet sich bei vielen erwachsenen Menschen, die sich als „bindungsunfähig“ erfahren. Wir sind also geprägt von Erfahrungen in der jeweiligen Entwicklungsphase.
Bindungstypen
Die individuelle Bindungsfähigkeit prägt sich meist in der Entwicklung und den emotionalen Erfahrungen mit Eltern/Bindungspersonen aus. Die Wissenschaft unterteilt Menschen im Wesentlichen in drei Bindungstypen: rund 60% der Menschen werden als sichere Bindungstypen beschrieben. Rund 30% zählen als ängstlich-vermeidend und der Rest als ängstlich-ambivalent. Die Schemata müssen nicht zu 100% übereinstimmen, sie helfen aber, Menschen zu verstehen. Ein paar Charakterisierungen unterstützen das Verstehen.

Sicher gebunden
Die Familienatmosphäre war meist feinfühlig. Die emotionale Unterstützung der Eltern war diesen Menschen sicher und die Angst, allein gelassen zu werden, bestand nie. Anderen Menschen zu vertrauen und an die lebenslange Liebe zu glauben, fällt ihnen später leicht. Innige und ausgeglichene Sexualität in der Partnerschaft wird bevorzugt.
Ängstlich vermeidend
Als Kind waren die Eltern gerade emotional wenig anwesend. Vertrauen, Liebe und Unterstützung waren nicht selbstverständlich. Angst vor Ablehnung verhindert häufig das Einlassen auf eine tiefe Beziehung. Freiheit ist ihnen wichtiger als Romantik. Sex bleibt eher oberflächlich und sexuelle Selbstkontrolle kann eine Rolle spielen.
Ängstlich-ambivalent
Wahrscheinlich gab es in der Kindheit Eltern oder Bindungspersonen, die unersichtlich für das Kind, zwischen heftigen Gefühlen und Reaktionen wechselten. Später wollen sie deswegen die Stimmung des anderen ganz genau verstehen und das eigene Verhalten anpassen. Das gibt ihnen Sicherheit. Auch die Angst, den Gegenüber mehr zu lieben, als geliebt zu werden, ist eine häufige Erscheinung. Aus der Sicht des Gegenübers werden sie häufig als „klammernd“ empfunden. Sexualität kann ängstlich-ambivalenten Bindungspersonen als emotionale Rückversicherung dienen.
Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Dr. med. Carla Pohlink, die als Ärztin und Sexualtherapeutin arbeitet.

Lisa Claus ist unsere SiClaro Hausautorin