Transgender - Im Gespräch mit einer Intimchirurgin
Triggerwarnung: Dieser Text zeigt in Teilen, dass Transfeindlichkeit in Deutschland immer noch existiert. Solltest du dich damit nicht wohlfühlen, kannst du den Text gerne überspringen oder gegebenenfalls mit einer vertrauten Person gemeinsam lesen.
Genitalangleichungen spielen vor allem für transgender Menschen häufig eine große Rolle. Der Besuch in der Intimchirurgie liegt dann nicht mehr allzu fern. Wir haben Dr. med. Annett Kleinschmidt, Fachärztin für plastische und ästhetische Chirurgie, nach ihren Erfahrungen gefragt.
SiClaro: Was hast du als Intimchirurgin für Erfahrungen mit Transgender gemacht?
Dr. med. Annett Kleinschmidt: Ich war 7 Jahre in einer Klinik in Berlin Oberärztin, die auf geschlechtsangleichende Operationen spezialisiert ist. Wir haben in Deutschland eine sehr klare Gesetzeslage hinsichtlich geschlechtsangleichender Operationen, die den Umgang und die Versorgung der Patient*innen reguliert. Das heißt: Transsexualismus ist als Diagnose im Gegenstandskatalog der Leistungspflicht der deutschen Krankenkassen und wird gemäß SGB V §27/28 als „krankhafte“ Veränderung bewertet, deren Therapie von den deutschen Krankenkassen bezahlt wird. Es müssen zwei sozialpsychiatrische Gutachten vorliegen, die eine mindestens 2-jährige psychologische Betreuung voraussetzen und die Indikation zur geschlechtsangleichenden OP befürworten. Nach Erfüllung dieser Voraussetzungen kann mit der Planung und Durchführung der einzelnen OP- Schritte begonnen werden.
Das hört sich ganz schön kompliziert an...
Ja. Meiner Erfahrung nach haben Transgenderpatient*innen einen langen Leidensweg hinter sich und somit haben für mich Transgenderoperationen auch nichts mit „Mode“ zu tun, sondern gehören ernst- und wahrgenommen von der Bevölkerung.
Spielt die Optik eine große Rolle bei der Angleichung?
Transgenderpatient*innen möchten natürlich auch wie jede*r andere Patient*in ein schönes ästhetisches Ergebnis. Für sie ist jedoch am wichtigsten, dass sie sich selbst wieder in ihrer Haut und dem angestrebten Geschlecht wohlfühlen und identifizieren können und auch, dass ihre Umwelt sie in dem neuen Geschlecht akzeptiert und wahrnimmt.
Was gibt’s für Möglichkeiten und Grenzen der Funktionalität hinsichtlich der Empfindungsfähigkeit und des Aussehens?
Am wichtigsten ist den Transgenderpatient*innen meiner Erfahrung nach die Funktionalität und Herstellung der äußeren Merkmale des anderen Geschlechts. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass für sie die Akzeptanz und Ansprache von außen besonders wichtig sind. Mensch kann mittlerweile größere sensible Nerven, z.B. beim Penoid, den Nervus pudendus anschließen, der bei vielen FzM (Frau-zu-Mann*) Transgendern auch sensible Funktionen übernimmt. Für die Erektion ist allerdings letzten Endes trotzdem eine Erektionspumpe notwendig, welche implantiert wird.

Gibt es hier Beratungsstandards?
Beratungsgespräche gliedern sich bei mir in eine klare Struktur. Zuerst die Anamnese mit der Erhebung der vollständigen medizinischen Historie meiner Patient*innen, einer körperlichen Untersuchung, Fotodokumentation, OP-Planung mit OP- Skizzen und Aufklärung über Risiken, Nebenwirkungen, Narkoseart, Schonzeiten und eventuell anfallende Zusatzkosten.
Bei Trans- OPs erfolgt zusätzlich die Sichtung und Dokumentation der erforderlichen rechtlichen Gutachten.
Können alle Wünsche umgesetzt werden?
Jein. Natürlich ist jede Operation eine einschneidende und lebensverändernde Maßnahme und somit ein Handwerk. Je invasiver der Eingriff ist, umso mehr nachhaltige Veränderung gibt es. Gehen wir von einer Patientin aus, die ihre großen Hängebrüste verändern möchte: Dies kann nicht narbenfrei stattfinden. Deshalb sind vor einer OP mit den Patient*innen der Narbenverlauf und die Narbengröße zu klären, um die adäquate gewünschte Form zu erhalten. Da es sich um ein Handwerk mittels Skalpell oder Kanülen bei der Liposuction handelt, werden auch Nervenäste mechanisch zerstört. Diese regenerieren sich zwar größtenteils, jedoch kann es sein, dass sensible Irritationen wie ein Taubheitsgefühl bestehen bleiben. Wenn Patient*innen beispielsweise mit dem Wunsch einer Bruststraffung und -verkleinerung kommen und Fotos von Brustvergrößerungen bei jungen Frauen mit Implantaten mitbringen, ist dies ein unrealistischer Wunsch, den der*die Plastische Chirurg*in erkennen und klarstellen muss. Dann kann die Entscheidung getroffen werden, ob diese*r Patient*in ein*e gute*r OP-Kandidat*in ist.
Dies gilt bei Transoperationen gleichermaßen wie bei ästhetischen Operationen.
Ästhetische Operationen haben viel mit der Identität zu tun. Gibt es eine Psychologische Nachsorge, Begleitung oder ein Angebot dafür bei den Operationen?
Eine psychologische Nachsorge und Begleitung sollten bei einer Operation auf keinen Fall nötig sein, da eine Operation kein psychologisches Problem heilt. Dies ist meine klare Auffassung und sollte vor einer Operation gut und sicher abgeklärt werden. Ich verfüge über eine 23-jährige chirurgische Berufserfahrung und kann sicher sagen, dass meine Patient*innen keine psychologischen Nachsorgen oder Begleitungen wegen einer ästhetischen OP benötigen. Dann wäre aus meiner Sicht die Indikation zur OP falsch gestellt.
Vielen Dank an Dr. med. Annett Kleinschmidt, die sich Zeit für unsere Fragen genommen hat. Dr. med. Annett Kleinschmidt arbeitet als Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie und als Fachärztin für Chirurgie in Berlin und München.
Hast du Feedback? Lass es und gerne hier.

Lisa Claus ist unsere SiClaro Hausautorin