Nacktheit und wie wir über sie denken
„Nackt sein ist privat, intim und sowieso ganz arg peinlich!“ Hast du schon mal so gedacht? So denken viele. Wir haben hier ein Spiel für dich. Du darfst auch angezogen bleiben. Ich habe einen Selbstversuch gestartet. Ich erzähl dir davon und wenn du willst, kannst du mir nachmachen. Was du dafür brauchst? Papier, Stifte und eine andere Person. Am besten ist sie dir irgendwie vertraut. Ich habe meinen Freund gefragt.
Ausgangssituation
Es ist Donnerstagmorgen und wir sitzen beide im Homeoffice. Ich arbeite an der SiClaro Education und blicke mich um: Wir sitzen in einer 4er-WG. Sehr wahrscheinlich haben die anderen Menschen in dieser WG schon mal mitgekriegt, dass wir Sex hatten: Zimmertür zu, quietschende Betten. Mensch kennt das. Dass wir alle Körper besitzen, ist klar. Auch, dass wir alle hin und wieder nackt sind, scheint klar zu sein. Unvorstellbar aber ist, dass wir jetzt hier heute am Donnerstagmorgen alle nackt in der Wohnung rumlaufen würden. Warum eigentlich?
Ich fang anders an: Ich frage meinen Freund nach Stift und Papier und danach, ob er ein paar Minuten Zeit hat. Ich bräuchte ihn für meine Arbeit.
Stift und Papier und eine andere Person
Wir sitzen uns in der Küche gegenüber und ich erkläre die Spielregeln:
Er malt meinen Intimbereich inklusive Geschlechtsteil und ich male seinen Intimbereich inklusive Geschlechtsteil. Wir malen beide so, wie wir uns den jeweils anderen vorstellen, ohne unsere Bilder gegenseitig anzuschauen oder Fragen zu stellen. Reden dürfen wir derweil natürlich schon. Es soll keine einsame Schweigeaufgabe werden. Nein, wir malen nicht nackt. Nein, wir gucken uns davor nicht noch mal an. Wir malen einfach los.
Ich glaube, er denkt die ganze Zeit, ich könne seinen Penis ganz gut malen. Wegen meiner Arbeit bei SiClaro, einem Körpershop. Tatsächlich fällt es mir äußerst schwer, irgendwelche Merkmale auszumachen, die sich von dem Symbol unterscheiden, das in der 8. Klasse in der Schule auf jedem zweiten Overhead-Projektor gelandet ist.
Der zweite Teil des Spiels folgt direkt: Jede beteiligte Person malt ihr eigenes Geschlechtsteil. Ausgangslage bleibt dieselbe: Wir bleiben angezogen!

Auswertung
Die Auswertung ist Zitat, „grotesk“. Er beschwert sich: Nichts an meiner Zeichnung würde seinem Körper ähneln. Und nein, es geht nicht nur um die klassischen Attribute wie Größe. Wobei … als Zuschauer*in könnte die Vermutung aufkommen, ich hätte in der Schule nicht aufgepasst. Oder woher kommt die Größenrelation von Hoden und Penis in meiner Vorstellung. Wurde das im Biologieunterricht überhaupt besprochen?
Spannender Sidefact: Ich habe den ganzen Körper gemalt, er hat nur die Geschlechtsbereiche gemalt.
Wir müssen viel und laut lachen. Plötzlich gehen zwei andere Zimmertüren auf. Zwei der hier auch Wohnenden gucken in die Küche: „Wer ist hier nackt?“ Ein witziges Gespräch entsteht, das ich mir in dieser Konstellation so nicht vorgestellt habe. Alle kommentieren. Alle fragen etwas. Meist zu dem Geschlechtsbereich, der nicht dem eigenen ähnelt. Lernen tun wir alle vier etwas.
Das Spiel geht natürlich auch, wenn ihr beide einen ähnlichen Intimbereich habt. Es kommt erst mal darauf an, wie die eigene Wahrnehmung ist.

Zusatz für dich allein
Vielleicht geht's dir so wie mir: Aus dem Gedächtnis heraus die eigene Intimregion zu zeichnen, ist gar nicht so leicht. Was eigentlich bedeutet Intimregion? Geht es wirklich nur um das Geschlechtsteil oder sind das für dich alle sensiblen Stellen deines Körpers? Nimm dir mal einen Spiegel zur Hand und vergleiche das, was du gezeichnet hast, mit deinem Körper. Vielleicht willst du ja dein Gemälde noch mal neu anfangen. Nimm dir Zeit. Du kannst am Ende deine Zeichnung zu einem ganz persönlichen Kunstwerk verzieren …

Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Dr. med. Carla Pohlink, Ärztin und Sexualtherapeutin arbeitet.
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Lisa Claus ist unsere SiClaro Hausautorin