Nacktheit und der eigene nackte Körper

Nacktheit verunsichert viele Menschen, wenn sie an Orten oder unter Mitmenschen stattfindet, die fern von der städtischen Saune oder dem eigenen Schlafzimmer stattfindet. Wieso sind wir verunsichert, wenn wir von unserer eigenen Nacktheit oder der von fremden Menschen umgeben sind?

Neue Nacktheit in der Öffentlichkeit

Letzten Sommer war ich in einem Zirkus, in dem drei Akrobat*innen oben ohne ihre Performance vorgeführt haben. Zwei Oberkörper ohne Brüsten, ein Oberkörper mit Brüsten. Die Show ging 60 Minuten und hatte in dem kleinen Zirkuszelt mit Zuschauerbänken, die wie im britischen Parlament gegenüber voneinander angebracht waren, eine unfassbar starke Wirkung. Wenn der Mensch mit Versammlung und Lautstärke allein kein Gehör bekommt, dann zieht er sich halt aus – könnte mensch meinen. Mit öffentlicher Nacktheit ist Aufmerksamkeit ja schließlich garantiert. Es war aber ganz anders: Irgendwann war der Oberkörper mit Brüsten nur einer von vielen Körpern.

Wie nackt darf ich sein?

Wenn Nacktheit zur "Belästigung der Allgemeinheit" wird, dann greift Paragraf 118 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Das Gesetz besagt, dass zu viel nackte Haut eine Ordnungswidrigkeit darstellen kann. Generell gilt: Zuhause darfst du so nackt sein, wie du willst. Auf Balkon, Terrasse und im Garten zumindest so lange, bis Menschen sich gestört fühlen, die unmittelbar auf diese Flächen einsehen können. Außerhalb deiner eigenen vier Wände darfst du jedoch nur an ausgeschriebenen FKK-Stellen nackt sein. Für nackte Brüste in der Öffentlichkeit schwanken die Regeln noch hin und her: der nackte Wahnsinn!

Goethe fand schon damals:

Der wahre Mensch ist der nackte Mensch.

Naturisten und FKK

Die Freikörperkultur (FKK) hat sich Ende des 19. Jahrhunderts mit der Licht-Luft-Sportgemeinschaft in Essen institutionalisiert. Heute gibt es in Deutschland außer dem Deutschen Verband für Freikörperkultur über 130 weitere Vereine für Naturisten.

Naturisten geht es um eine „Lebensart in Harmonie mit der Natur“, nicht um das "Nacktsein ohne Grund“ (Nudisten), das „Nacktsein mit zweifelhaftem Grund“ (Exhibitionisten) oder darum, überall nackt sein zu wollen (Nacktivisten).

Naturisten leben das Konzept der Bodypositivity viel konsequenter als jedes ach so moderne Start-up, das in seinen Kampagnen nur zaghaft Körper mit Speckröllchen zeigt, während sie dann textlich darauf hinweisen, wie besonders diese Körper doch sind.

Frage an dich:

Kannst du dich gut nackt zeigen?

Fragen zur eigenen Nacktheit

Nimm dir Zeit für dich, koch dir einen Tee und sei ganz ehrlich mit dir selbst, während du folgende Fragen für dich beantwortest:

Warst du schon mal in einem FKK-Strandbad? Was macht Nacktheit mit dir? Kannst du dich nackt zeigen? Und wenn ja: Nur dir selbst, sodass du dich gut fühlst? Oder auch einer vertrauten Person? Oder vielleicht nur in der Öffentlichkeit, wenn der eigene Körper zu einem von vielen wird? Wie siehst du dich selbst ganz alleine? Und wie siehst du dich in verschiedenen Phasen deines Lebens? Wie fühlst du dich, wenn du dir Bilder deines Körpers vom letzten Sommer und vom letzten Winter anschaust?


Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Dr. med. Carla Pohlink, die als Ärztin und Sexualtherapeutin arbeitet

Lisa

Lisa Claus ist unsere SiClaro Hausautorin