Intimchirurgie: Ein Gespräch mit einer Expertin
Über Intimchirurgie gibt es geteilte Meinungen. Das ist ok und gut so. Leider führt das aber manchmal auch zu falschen Vorstellungen, Vorurteilen und Unwissenheit. Deswegen haben wir Dr. med. Annett Kleinschmidt unsere Fragen gestellt und detaillierte Antworten erhalten.
SiClaro: Was operierst du am häufigsten?
Dr. med. Annett Kleinschmidt: Am häufigsten operiere ich Brüste (größer, kleiner straffer, rekonstruktiv und ästhetisch), Intimchirurgie, Face- und Lideingriffe, Bodycontouring mit Straffungsoperationen und Liposuctionen. Die Intimchirurgie macht ca. 25-30% meines operativen Spektrums aus.
Was unterscheidet eine*n gute*n von einer*m schlechten*m Intimchirurg*in?
Ein*e gute*r Intimchirurg*in sollte auf jeden Fall über eine solide fachliche Expertise verfügen. Er*sie sollte auf jeden Fall eine Facharztausbildung als Facharzt*ärztin für plastische und ästhetische Chirurgie absolviert haben und unbedingt auch in Kliniken/ Praxen gearbeitet haben, die das gesamte oder ein ausgedehntes Spektrum der intimchirurgischen ästhetischen und rekonstruktiven Operationen anbieten. Dies ist für Laien schwierig herauszufinden. Fragt einfach, wie lange Euer*e Intimchirurg*in schon in diesem Segment selbstständig operiert. Ich beispielsweise mache dies seit 18 Jahren und war 7 Jahre als Oberärztin an einer Klinik, die viele geschlechtsangleichende Transgendereingriffe vorgenommen hat. Kleiner Tipp: Wer die intimchirurgische Rekonstruktion beherrscht, kann auch die ästhetischen Eingriffe gut nachvollziehen. Außerdem ist wichtig, dass euer*e Intimchirurg*in mehrere Techniken beispielsweise für die Verkleinerung der inneren Schamlippen anbietet, da es diverse Ausgangsbefunde gibt, die nicht alle nach dem gleichen „Kochrezept“ therapiert werden können. Holt Euch mehrere Meinungen! Geht nicht nach dem günstigsten Preis, sondern vertraut auf Euer Bauchgefühl.
Gibt es Anfragen, die du schonmal abgelehnt hast oder ablehnen würdest?
Ich prüfe jede Operationsindikation bei meinen Patient*innen separat und individuell: Hierzu gehört, dass die Erwartungshaltung an die gewünschte Operation seitens meiner Patient*innen realistisch und mit dem möglichen OP-Resultat vereinbar ist. Anderenfalls lehne ich eine OP ab. Außerdem lehne ich ästhetische Operationen unter 18 Jahren ab, da zum einen das körperliche Wachstum abgeschlossen sein muss, zum anderen die emotionale Reife für einen lebensverändernden Eingriff gegeben sein muss. Nicht volljährige Patient*innen bestelle ich trotzdem ein und plane mit ihnen das potenzielle OP- Konzept, um ihnen eine Perspektive und eine gute Führung bis zur Volljährigkeit zu geben. Wichtig ist, dass die Patient*innen unter 18 sich nicht dazu hinreißen lassen, sich bei dem nächstbesten Chirurgen, der gewissenlos Minderjährige operiert, doch noch vorzeitig operieren lassen und dann mit schwerwiegenden Komplikationen klarkommen müssen.

Wer bestimmt, was schön ist? Gibt es eine Art Schablone bzw. kommen Menschen mit Intimfotos und der Bitte “So soll das aussehen”? Gibt es Trends?
Schönheit liegt wie immer im Auge des Betrachters. Weder gibt es Schablonen, 3-D-Animationen, noch schaue ich mir mitgebrachte Fotos von den sogenannten „Designer- Vaginaes“ an und verspreche meinen Patient*innen, dass es genauso wird. Mir ist wichtig, dass jede*r Patient*in versteht, dass 100 Ausgangsbefunde im Intimbereich 100-mal anders sind. Zum einen aufgrund des unterschiedlichen genetisch bedingten Kollagentyps des Bindegewebes, der für die Laxizität verantwortlich ist, weiter wegen der unterschiedlich intensiven Hormonaktivität und auch aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsformen: Hier gibt es kein „schön oder hässlich“.
Wie sind deine Erfahrungen in den Erstgesprächen?
Jede*r, die*der seit Langem ein Problem sieht, kann sich beraten lassen und selbst entscheiden, ob er*sie sich einem chirurgischen Eingriff unterzieht, um dieses persönlich als störend empfundene Manko, was andere möglicherweise nicht so empfinden würden, korrigieren zu lassen. Ich folge bei den Korrekturen natürlich dem anatomischen durchschnittlichen Normbild ohne Schablone und ohne Wunschfotos, welches die inneren Schamlippen als 0,5-1 cm hohen Schutzwall der Vagina beschreibt. Auch der Klitorismantel sollte im Falle einer Korrektur der inneren Schamlippen nicht als Hautüberschuss vor den gestrafften inneren Schamlippen verbleiben, sondern ebenfalls nach den Regeln der ärztlichen Kunst, wie die Schamlippen gestrafft werden, um keinen „Mikropenis“ im Klitorisbereich zu hinterlassen. So etwas sehe ich häufiger bei auswärts operierten Patient*innen, die sich dies noch im Nachhinein korrigieren lassen möchten. Deshalb lasst Euch so gut aufklären, dass Ihr ein gutes Gefühl bei eurer*m Intimchirurg*in habt.
Wie alt sind Menschen die sich operieren lassen?
Zwischen 18 und 80. Manche Patient*innen treten gerade in ihr Erwachsenenleben ein und manche gönnen sich dies, wenn sie endlich Zeit im Leben dafür finden. Und dann, wenn sie das Geld für solche Operation übrighaben. Manche hat es schon immer gestört und jede*r hat das Recht dazu, sich operieren zu lassen, wenn es ihn*sie glücklich macht.
Gibt es bestimmte Operationen die häufig von Menschen gleichen Alters angefragt werden?
Natürlich haben intimchirurgische Operationen 2 junge Altersgipfel: Zum einen zwischen 18 und 28 und zum anderen nachdem sie entweder geboren haben oder die Kinderplanung abgeschlossen wurde. Gewebe wird durch die Hormonveränderung und die Geburtsprozesse mehr in Mitleidenschaft gezogen.
Arbeitest du mit Psycholog*innen zusammen?
Ich arbeite mit erfahrenen Psycholog*innen zusammen, um z.B. Patient*innen mit Dysmorphophobien, d.h. mit einer gestörten Wahrnehmung für den eigenen Körper, vorzustellen. Diese Erkrankung kann nicht durch eine Operation geheilt werden. Ich selbst habe meine Doktorarbeit in der klinischen Psychiatrie geschrieben und denke, dass ich über ausreichend klinische Erfahrung mit psychologischen und psychiatrischen Krankheitsbildern verfüge, um zumindest zu entscheiden, wen ich operiere und wen ich bei einem*r Psycholog*in vorstellen sollte.
Vielen Dank an Dr. med. Annett Kleinschmidt, die sich Zeit für unsere Fragen genommen hat. Dr. med. Annett Kleinschmidt arbeitet als Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie und als Fachärztin für Chirurgie in Berlin und München.
Wir freuen uns über dein Feedback! Lass es gerne hier.

Lisa Claus ist unsere SiClaro Hausautorin